Technische Manipulationen
Rechtliche Situation an den Motorrädern:
– Das Motorrad: Das Motorrad ist per se das lauteste Verkehrsmittel auf der Straße. Die Norm (80 dB) bildet das nicht ab, so wie Normen so vieles nicht abbilden. Der Grund: Gemessen wird diese Norm nicht am lautesten Betriebszeitpunkt, sondern dort, wo es die Normengremien (bestehend überweigend aus Herstellervertretern) defniert haben. Im falle des Motorrads: bei beschleunigter Vorbeifahrt.
Nach der Norm dürfen Motorräder so laut sein wie ein Lkw, doch definiert die Norm nur beschleunigte Vorbeifahrt – und als reichlich unsinnigen Referenzwert das Standgeräusch. Die Überarbeitung der aktuellen Norm soll sogar nur abbilden, wie laut Motorräder im Stadtverkehr bei 50 km/h sind (offizielle Begründung: weil die Motorräder dort den Menschen am nahesten kommen…). Das ist völlig Gaga! Fakt ist, dass man ein Rennmotorrad bei 50 km/h leise bewegen kann – aber wehe, wenn man den Hahn aufdreht. Am Normenprozess beteiligen sich die Hersteller und Interessensgruppen – über Jahre hinweg. Leute, die wissen sollten, wovon sie reden. Und es ist geheim, wie sich so ein Normen-Gremium zusammensetzt. Deshalb kann man davon ausgehen, dass sie es mit Absicht tun. Übrigens: Die beiden Werte in der Zulassung eines Motorrads (Stand- und Fahrgeräusch) dienen eigentlich dazu, dem TÜV oder der Polizei die Überprüfung zu ermöglichen, ob das Fahrzeug manipuliert wurde. Über den Lärm, den das Motorrad produziert, sagen beide Werte so gut wie nichts aus. Und auch die sinnvolle Überprüfung ist anhand dieser Werte so gut wie ausgeschlossen.
Aber laut (per se) ist rund einem Drittel der Fahrer nicht laut genug:
– Die Manipulationen:
a. Verbotene: Es gibt Manipulationen, die die Polizei relativ einfach ermitteln und sanktionieren kann. Dazu gehört die Demontage des hinteren Teils des Auspuffs bzw. des sogenannten DB-eaters (Dezibel-Killer). Diese Manipulationsmethode hat sich herumgesprochen, weshalb man davon ausgehen kann, dass nur gänzlich unverbesserliche Piloten mit diesem Manko in eine Kontrolle einfahren. Typisch ist der Spruch: ”das Teil muss ich irgendwo verloren haben! ” Wenn die Polizei die sofortige Stillegung des Bikes androht, dann taucht der DB-eater regelmäßig im Rucksack wieder auf. Das Fahren ohne DB-eater soll ab dem 1.4.2012 mit einem Bußgeld von mindestens 90 Euro und drei Punkten in Flensburg geahndet werden. Ist der Fahrer auch der Fahrzeughalter, so muss er sogar mit 135 Euro und 4 Punkten rechnen. Wohlgemerkt: Bis zum 1.4.2012 kostete diese wüste Manipulation, die sogenannte Sportmotorräder oft dreimal so laut machte wie zulässig, schlappe 25 Euro (und keine Punkte).
b. Lärmverursachende Manipulationen:
Zubehörauspuffe mit EU-ABE
Ein großes Problem sind Zubehörauspuffe mit sogenannter EU-ABE, also mit einer Allgemeinen Betriebserlaubnis aus einem Drittstaat innerhalb der EU. Kennzeichen dieser Auspuffe sind eine E-Nummer, die nicht rückverfolgbar und nicht nachträglich zu entziehen ist – und die Tatsache, dass diese Auspuffe in 95 Prozent aller Fälle weitaus zu laut sind. Die Zeitschrift „Motorrad“ macht sich in regelmäßigen Abständen daran, eine Marktübersicht auszuarbeiten, bei der die Zubehörauspuffe von Drittanbietern am Test-Motorrad montiert einen echten Normzyklus durchlaufen. Die Marktübersicht kann getrost als Einkaufsführer für laute Auspuffe verwendet werden, denn sie haben ja eine EU-ABE. Sie sind aber zu laut und damit eigentlich verboten – der Nachweis führt allerdings im Einzelfall nur über ein teures Gutachten (was unüblich ist, weil teuer und riskant für den Polizeibeamten). Selbst ein Nachweis, dass die EU-Auspuffe zu laut sind, führt nicht zum Erlöschen der Betriebserlaubnis. Die EU Regeln sehen hier keinen Rückgriff auf den Produzenten vor!
Einfache Nagelprobe, wie häufig diese Auspuff-Manipulation auftritt: Machen Sie einen Spaziergang über einen Motorradparkplatz an einem Ausflugsziel. Zählen Sie die Motorräder, bei denen der Auspuff eine andere Marke trägt als das Motorrad und Sie werden feststellen, dass rund ein Drittel manipuliert ist. Diese Fahrer geben für Extrasound zwischen 500 und 1.000 Euro zusätzlich aus. So viel und mehr kostet eine Zubehöranlage und die Garantie, den anwohnenden Zeitgenossen nahezu ohne Risiko permanent am Hauptnerv zupfen zu dürfen.
Diese Manipulation wird vor allem am Bestand angewendet, also bei Motorrädern aus den 80er oder 90er Jahren, als die folgende Technik noch nicht so weit war, um für Lärm zu sorgen.
Auspuffklappen
Weitere Problemstifter sind vor allem die Auspuffklappen. Es gibt manuelle, die der Fahrer per Schalter umlegen kann, um richtig Lärm zu machen. Solche Klappen werden typischerweise an Harleys verbaut, damit der Fahrer abends in die Garage rollen kann, ohne Frau und Kinder zu wecken (bzw. ohne von den Nachbarn gekillt zu werden). Auf der Strecke (und in Tunnels) bewegt sich der Biker dann natürlich mit vollem Sound.
Mittlerweile zum Hauptproblem werden automatische Klappen, die den Prüfzyklus erkennen und so die Zulassung umgehen. Viele Sportmotorräder sind damit ausgerüstet, damit sie überhaupt zugelassen werden können. Sie sind zulassungsfähig, weil sie exakt am Messzeitpunkt schließen und dafür sorgen, dass das Bike die Norm erfüllt. Werden sie 5 km/h schneller oder langsamer bewegt, sind diese Motorräder schnell doppelt so laut wie zulässig, wie die Versuche der Baden-Württembergischen Landesregierung ergeben haben. Die haben beweisen, dass auch die überarbeitung der Lärmnorm (2015) dank dieser Manipulation nicht das Papier wert ist, auf der sie gedruckt ist.
Merke: Das Attribut “Sport” scheint Synonym zu sein für „zu laut“.