ZAHLEN + FAKTEN

Anwohner und Erholungssuchende entlang beliebter Motorradstrecken kennen das Problem: Bei schönem Wetter und zu Erholungszeiten bietet beispielsweise der Schwarzwald oder der Schwäbisch Fränkische Wald, die Eifel und das Sauerland an vielen Stellen eine Geräuschkulisse wie der Nürburgring. Wie kann das alles „legal“ sein?

Es gibt zwar Motorräder, die kann man zügig vorbeifahren sehen – und sie sind dabei nicht lauter als ein Pkw. Aber leider auch eine Menge Motorräder, die schleppen in voller Fahrt einen Lärmteppich hinter sich her, der kilometerweit zu hören ist. Motorradfahrer-Organisationen selbst und leider oft auch Behörden reden von „Schwarzen Schafen“, von einer „kleinen Minderheit“, von „zwei Prozent“. Ganz anders sehen das das Umweltbundesamt, der BUND und der europäische Motorrad-Herstellerverband ACEM, der das Thema in einer Studie aufgriff: Etwa 30 Prozent der Motorradfahrer/innen fallen demnach durch massive Lärmentwicklung auf.

Manchen Hotspot an Ausflugsstrecken passieren an einem Wochenendtag 1.000 Motorräder – das verlärmte Drittel mischt sich lautstark darunter. Wieder andere Hotspots werden von marodierenden Gruppen terrorisiert: Dort treffen sich Männer/Frauen aller Altersklassen in engen Lederkombis und voller Schutzausrüstung. Das geschieht nach Feierabend oder am Wochenende mit dem Zweck, „ein paar mal“ auf und ab zu fahren oder „ein paar Runden“ zu drehen: Ziel ist ein wenig Angst-Thrill – mit regelmäßig fatalen Folgen, trotz Schutzausrüstung.

Ja wo ist er denn, der DB-Eater: Kontrolle im Rems-Murr-Kreis.

Beides bedeutet für die Anwohner oft stundenlang modulierenden, aggressiven Lärmterror: die Gartennutzung wird zur Nervensache, der Grillabend zur Tortur – und Grundstücke und Häuser werden in diesen „ruhigen Ortsrandlagen“ nur im Winter verkauft. Und obwohl die Strecken mittlerweile mit Sicherungseinrichtungen aufgerüstet wurden wie eine Rennpiste: immer wieder Rettungshubschrauber, Martinshorn – und neue Wegkreuze. Polizei und Behörden werden häufig erst nach einer Häufung von Rasanzunfällen aktiv, nicht wenn Bürger sich beschweren oder Unterschriften sammeln.

Die Vereinigten Arbeitskreise gegen Motorradlärm kennen die Ursachen für dieses ausufernde Lärmproblem in Erholungszonen. Die Summe aus vielen Einzelpunkten hat in den vergangenen Jahrzehnten eine rechtsfreie Zone unter den Helmen entstehen lassen:
unglückliche oder schlampige Gesetzgebung und Normenbetrug, durch Ausschüsse, die nur mit der Fahrzeugindustrie besetzt sind
– die Nachfrage des Marktes, der es laut will, und dem keine Grenzen gesetzt werden
– die Folge von jahrzehntelanger, schleichender Motorrad-Lobbyarbeit und
– die fatale Konsequenz eines Corpsgeists in Kreisen der Biker – auch der anständigen Biker.

Merke: Nicht alle Biker sind laut – aber die Mehrheit stört es eben auch nicht, wenn ein Drittel ihrer Kollegen sein Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom krachend und heulend auf öffentlichen Straßen auslebt. Und selbst viele wohlmeinende Biker gewähren diesen „Autonomen“ leider bereitwillig Deckung. Es ist mittlerweile schwer, ein neues Motorrad ohne Auspuffklappen zu kaufen. Die Klappen sind die Mutter aller technischen Abschaltvorrichtungen in Prüfzyklen – der Vorwurf des Betrugs steht im Raum. Es war eine Blaupause für den Dieselskandal: Beim leicht zu erkennenden Testzyklus macht beim Meßzeitpunkt die Klappe zu, in allen anderen Fahrzuständen bleibt sie offen und es herrscht kreischender Lärm. So ist alles „legal“ aber eben in der Realität ein vielfaches so laut wie mit 77 dB(A) Fahrgeräusch suggeriert.Warum das so ist? Weil die Fahrer es so wollen. Und weil die Industrie die Nachfrage bedient.

Merke: Lärmgesetze werden in diesem Land von Porsche geschrieben, der Bock agiert als Gärtner, wie ein Vorfall aus 2012 zeigt. Und weil alles „legal“ ist, hat die Polizei keine große Lust, sich an den Strecken beim Kontrollieren zum Affen zu machen. Das tut uns so leid wie möglich, denn lange genug wurden Warner in den eigenen Reihen der Polizei kaltgestellt und die Verkehrspolizeien ausgedünnt. Das Lamentieren über zu wenig Personal muss genauso ein Ende haben, wie der rechtsfreie Raum zum Rasen auf unseren Straßen. Straßen sind zum Fahren da – aber nicht zum Rasen und Lärmen.

MOTORRADLAERM.DE informiert über diese Mißstände – und arbeitet an einer Verbesserung. MOTORRADLAERM.DE wird unterstützt vom BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland) und getragen von den VAGM – wir freuen uns, wenn Sie unsere Initiative mit einer Spende unterstützen wollen. Bitte erfragen Sie dazu unser Spendenkonto.

Zum Abschluss noch ein Wunsch eines selbst genervten Motorradfahrers aus dem GS-Forum (BMW GS Touringmotorräder), den wir inhaltlich komplett unterstützen und der zeigt, dass auch bei vielen Motoradfahrern das Thema kontrovers diskutiert wird. Zur Erinnerung: Das meistverkaufte Motorrad in Deutschland ist dieses Tourenmotorrad mit Klappensteuerung. Und zur Entlastung der Fahrer: Man darf die Klappe nicht ausbauen, sonst erlischt die ABE.

„Ich wünsche mir mal, dass die Chefs von BMW Motorrad, von Porsche und von Audi sonntagsabends nach dem Tatort bei Anne Will in der Talkshow sitzen und Deutschland erklären, welcher Dämon sie denn geritten hat, an ihren Fahrzeugen Auspuffanlagen zu montieren, die nur dann funktionieren, wenn auf dem Prüfstand gemessen wird. Bei Audi war es ja noch kranker, die haben Lautsprecheranlagen in ihre Endschalldämpfer gebaut. Oder bei Frank Plasberg, der fragt noch fieser.

Und wenn dann der Einwand von wegen „Drehmomentoptimierung“ kommt, dann weist Plasberg darauf hin, dass eine GS heute schon mehr Leistung hat als ein Mittelklasseauto, obwohl sie nur ein Sechstel wiegt. Als Studiogäste ferner Trendforscher die erklären, wie wichtig „Nachhaltigkeit“ heute als Unternehmenswert ist, und Börsentante Anja Kohl, die erklärt, wieso Tesla an der Börse so viel wert ist wie Audi und BMW zusammen.“

1 Kommentar zu „ZAHLEN + FAKTEN

  1. Das Umweltbundesamt hat sich auf die einige Jahre alte ACEM-Studie selbst bezogen. Dieser Herstellerverband wird sich hüten, dieselbe Studie heute nochmals aufzulegen – aus gutem Grund. Die Technologie in der Umgehung der Lärmnorm hat zudem große Sprünge gemacht. Heute gehen wir in manchen Fahrzeugkategorien von 80 Prozent aus.