FORDERUNGEN + ZIELE
Die hier ausgewiesenen Ziele und Forderungen entsprechen weitgehend den Ergebnissen des Motorradlärm-Colloquiums unter Beteiligung von Umweltbundesamt, BUND und Polizeisachverständigen in Stuttgart im Herbst 2009. Sie werden kontinuierlich an den Erkenntnisstand der VAGM angepasst.
I. Schutz der Anwohner und Erholungssuchenden
1. Entschleunigung der Ortsausgänge
Ortsausgänge (und dabei geht es nicht um 500 Meter, sondern tendenziell eher um 5.000 Meter) sind typische Motorradlärm-Hotspots. An betroffenen Ortsausgängen ist es geboten, mit einer gestaffelten Geschwindigkeitsbegrenzung zum beschleunigungs-reduzierten Fahren aufzufordern. Die Maßnahme sollte mit einem Hinweisschild „Motorradfahrer: Bitte lärmarm fahren“ unterstützt werden.
2. „Rennstrecken“ entschärfen
Einschlägig bekannte Berg-, Kurven- und Rennstrecken (damit sind nicht abgesperrte Rennstrecken gemeint, sondern als Rennstrecken mißbrauchte öffentliche Straßen) sollten geschwindigkeitsreduziert, mit Überholverboten und gegebenenfalls mit Streckensperrungen belegt werden. Alle Maßnahmen müssen kontrolliert werden.
Grundsätzlich ist es wichtig, den Verkehr zu vergleichmäßigen und keine lärmenden Überholvorgänge zuzulassen. Eine deutliche Geschwindigkeitsbeschränkung würde den Verkehr nicht behindern – das Rasen aber riskant machen (Führerscheinentzug). Auch hier sollte der Grund der Geschwindigkeitsbegrenzung genannt werden. Das konsequente Vorgehen von Polizei und Behörden (wie beispielsweise am Randenaufstieg in Baden-Württemberg) muss Schule machen.

3. Verhalten brandmarken
Es sollte von allen Seiten (auch von Seiten der Behörden) klar angesprochen werden, dass Rasen und Lärmen mit dem Motorrad antisoziales Verhalten ist und nicht geduldet wird. Wir halten die wohlmeinenden Motorradfahrer dazu an, sich von Rowdies zu distanzieren. Im Gegenzug akzeptieren wir sehr wohl, dass es Motorräder und Fahrer gibt, die keine erhebliche (und vor allem: keine mutwillige) Lärmbelastung für ihre Umwelt darstellen.
II: Gesetzesänderungen
1. Strafen und Verbote
Die Strafen für Manipulationen am Auspuff und am Luftfilter müssen drastisch verschärft, die Verwendung von lärmsteuernden Auspuffklappen und elektronischen Regelungen, die Einfluss auf das Lärmverhalten haben, muss verboten werden.
2. Veränderte Zulassungsvorschriften
Wir fordern einen Lärmgrenzwert am Motorrad zum lautetsten Betriebszeitpunkt und das Verbot von Auspuffklappen, die geeignet sind, Lärmgrenzwerte zu umgehen. Jeder Auspuff mit EU-ABE muss an genau dem Fahrzeug typgeprüft werden, für das es eine Zulassung erhält. Bisher werden solche Zulassungen irgendwo in Europa „gerechnet“ und müssen in der Praxis nicht nachgewiesen werden. Eine einzige Zulassung gilt dann für ein Dutzend Fahrzeuge – und an keinem davon war die Auspuffanlage zur Abnahme tatsächlich montiert. Eine EU-ABE muss bei nachgewiesenermaßen zu hoher Lautstärke auch nachträglich entzogen werden können (derzeit unmöglich) – verbunden mit einer Informationspflicht für die Auspuffhersteller an die Verwender, dass ihre ABE erloschen ist. Manipulationen der Auspuff-Hersteller sind strafrechtlich als Betrug zu werten. Das gilt gleichermaßen für die Auspuffhersteller an Quads und Sportwagen (Porsche „Sport“-Auspuffanlagen erhalten ihre Zulassung nicht in der Autostadt Stuttgart, sondern in Luxemburg (sic!) und für EU-ABE Zubehörauspuffe an Pkw.
3. Geräuschmessung light
Wir fordern endlich auch die von der Polizeit und der Bundesanstalt für Straßenwesen (BAST) seit Jahren propagierte Einführung einer „Geräuschmessung light“, die es der Polizei vor Ort unkompliziert ermöglicht, die Geräuschentwicklung eines Auspuffs zu messen und Manipulationen zu erkennen. Eine schmerzhafte Fahrzeugstillegung an Ort und Stelle kann die einzige Konsequenz einer nachgewiesenen Manipulation sein.
4. Hersteller: Schluss mit der Trickserei!
Wir fordernd die Motorrad- und Zubehörindustrie dazu auf, den Prozess einer weiteren Senkung des Lärmpegels von Motorrädern nicht weiter zu behindern bzw. auch nicht weiter mit technischen Tricks auf noch lautere Motorräder hinzuarbeiten, auch wenn der Markt/Kunde das fordern. Die WHO beurteilt Lärm als das Umweltgift mit dem höchsten Krankheitspotenzial gleich nach der Luftverschmutzun. Laut Umweltbundesamt ist zu befürchten, dass rund drei Prozent aller Herzinfarkte in Deutschland durch Straßenverkehrslärm hervorgerufen werden. 2013 waren Herz-Kreislauf-Erkrankungen (ohne Schlaganfälle) für 354.493 Todesfälle verantwortlich. Den Herstellern muss klar sein, dass sie sich mit jeder trickreichen Umgehung der Lärm-Regeln in eine rechtliche Grauzone begeben, die Menschenleben und viel Geld kostet. Professor Kerstin Giering (Hochschule Trier) errechnete allein für verkehrslärmbedingte Myokardinfarkte Kosten von rund 1,8 Milliarden Euro pro Jahr. Dazu kommt volkswirtschaftlicher Schaden: Krankzeiten, Wertverlust der Immobilien, Umsatzeinbußen in der Touristik, etc. Die Kosten für die Volkswirtschaft summieren sich in Deutschland laut Professor Giering auf 9,1 Milliarden Euro pro Jahr!
5. Halterhaftung/Helmkennzeichen/Größere Kennzeichen
Wir fordern die Halterhaftung für alle Motorräder auch für Vergehen im fließenden Verkehr. Der besonderen Anonymisierung der Fahrer (durch den Helm) muss endlich Rechnung getragen werden – damit eine rechtsfreie Zone beseitigt wird. Maßnahmen sind: ein Kennzeichen vorn oder alternativ ein persönliches Helmkennzeichen – und natürlich die Wiedereinführung des großen Kennzeichen hinten.